Wie gehen wir Fundraiser*innen mit demenzerkrankten Spender*innen um?
Die Hälfte unseres Spendenvolumens kommt von Spender*innen, die älter als 65 Jahre sind. In dieser Altersgruppe leidet jeder zehnte unter Demenz. Über 80-Jährige sind besonders gute Spender*innen – auch Erbschaftsspender*innen. Hier liegt die Demenzquote bei 50 Prozent. Zahlen, die zeigen: Als Fundraiser*innen müssen wir uns mit dem Thema Demenz auseinander setzen – nicht zuletzt im Sinne unserer eigenen Ethikregeln, etwa Paragraph 1 der Ethikregeln des Deutschen Fundraising Verbandes („Wir achten die Würde menschlichen Lebens.“) oder auch Paragraph 8 („Wir respektieren die freie Wahl unserer Unterstützer*innen.“). Drei Fragen lassen sich stellen:
1. Woran erkenne ich als Fundraiser*in, dass ein Spender unter Demenz leidet?
2. Wie kommuniziere ich als Fundraiser*in mit demenzerkrankten Spender*innen?
3. Wann darf ich demenzerkrankte Menschen noch um Spenden bitten und wann darf ich das nicht mehr?
Drei Fragen, die auf einem Fundraising-Stammtisch von „Nachhaltiges Fundraising“ zusammen mit der Musiktherapeutin und Pflegeberaterin Simone Viviane Plechinger und der (jungen) Betroffenen und Aktivistin Yasemin Aicher diskutiert wurden. Am Ende ist klar: Allgemeingültige Antworten lassen sich in diesem Bereich – und bei der Vielzahl an dementiellen Erkrankungsformen und Schweregraden – nicht geben. Trotzdem können folgende Linien festgehalten werden:
1. Als Fundraiser*in muss ich aufmerksam werden, wenn sich bei einem älteren Spender plötzlich das Spendenverhalten deutlich ändert – er oder sie zum Beispiel auf einmal 3.000 Euro zu Weihnachten spendet statt wie in den vergangenen zwanzig Jahren 50 Euro. Im Gespräch geben eine hohe Vergesslichkeit (z.B. in bezug auf das eben Gesagte) und Schwierigkeiten bei Aufgaben, welche höhere Gehirnfunktionen erfordern (z.B. Nennung der eigenen IBAN-Nummer, Zusammenzählung der getätigten Spenden im vergangenen Jahr) deutliche Hinweise.
2. Mit demenzerkrankten Spender*innen darf ich genauso kommunizieren wie mit gesunden Spender*innen. Alles andere ist wenig hilfreich und schränkt die Würde des demenzerkrankten Menschen ein. Erkenne ich Hinweise auf eine Demenz sollte ich der Person Zeit geben. Das heißt: Kein Spendenabschluss am Telefon oder Face-to-Face, sondern dem Spender schriftliche Unterlagen und Formulare mitgeben. Die betroffene Person kann dann in Ruhe – und eventuell zusammen mit einer Betreuungsperson – zu einer selbstbestimmten Entscheidung kommen.
3. Die rechtliche Lage ist eindeutig: Bestimmt ein Gericht, dass ein demenzerkrankter Mensch keine Willenserklärung mehr abgeben kann – etwa weil er oder sie die Folgen einer solchen Willenserklärung nicht mehr einsehen kann – dann stehen alle vermögenswirksamen Vereinbarungen dieser Person unter einem Einwilligungsvorbehalt. Ein Betreuer (z.B. Tochter oder Sohn oder ein gerichtlicher Betreuer) kann jede Spendenzusage für nichtig erklären. Spendensammelnde Organisationen sollten es jedoch gar nicht so weit kommen lassen.
Gleichzeitig gilt das Plädoyer aller Betroffenen-Organisationen: Demenzerkrankten Menschen darf ihre Freiheit nicht unnötig und vorschnell eingeschränkt werden. Ein selbstbestimmtes Leben ist so lange wie möglich zu erhalten und zu fördern.
Entlang dieser feinen Linie zwischen Schutz und Selbstbestimmtheit von Erkrankten fährt eine Organisation gut, wenn sie sich bei Spendenzusagen an der bisherigen Spendenpraxis des Betroffenen hält. Wer etwa über Jahre zum Tag der Kinderrechte 500 Euro gegeben hat, dessen Wille wird es auch weiterhin sein, in diesem Rahmen zu spenden. Wer aber plötzlich 5.000 Euro geben möchte, übersieht wahrscheinlich nicht, dass diese Summe einem Betrag entspricht, den sie oder er sonst über zehn Jahre gegeben hat.
Die Spendenpraxis des Betroffenen ist auch eine gute Argumentationslinie gegenüber Betreuer*innen, die Spendenzusagen von Erkrankten nicht zustimmen wollen. Eine Organisation tut immer gut daran, den Kontakt mit den betreuenden Personen zu suchen, sobald sie eine Demenz erkennt oder vermutet.
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